|
|
|
|

Erste Wahl

Vor der Bundestagswahl am 23. Februar waren wir im Gespräch mit Charlotte Winkler aus Güglingen

Die Generation Z gilt als egoistisch und beruflich als wenig leistungsorientiert. Social Media steht im Mittelpunkt, gesellschaftliches Engagement oder politische Teilhabe – Fehlanzeige. Klischee oder Wahrheit? Wir fragen die 18-jährige Charlotte Winkler, die zum ersten Mal an einer Bundestagswahl teilnimmt.

Wie hast du dich gefühlt, als du erfahren hast, dass du trotz der vorgezogenen Bundestagswahl doch noch knapp wählen darfst?

Ich habe zwar gehofft, dass es zeitlich noch reicht, aber nicht fest damit gerechnet. Bis der Wahltermin endlich feststand, habe ich mir oft gedacht, wie unfair es wäre, wenn ich wegen ein paar Tagen nicht hätte wählen dürfen. Als der Termin dann feststand, war ich sehr erleichtert, es fühlte sich fast wie ein kleines Geburtstagsgeschenk an. Ich finde Politik sehr wichtig. Gleichzeitig spürte ich aber auch den Druck: Wenn ich schon die Möglichkeit habe, dann will ich sie auch sinnvoll nutzen und mich wirklich informiert entscheiden.

Und dann? Wie hast du dich speziell auf die Wahl vorbereitet? Gab es besondere Herausforderungen aufgrund der kurzen Zeit?

Der Wahl-O-Mat war diesmal noch nicht verfügbar, aber in der Schule haben wir als Alternative den Wahlkompass ausprobiert, um herauszufinden, welche Parteien unseren Überzeugungen am nächsten stehen. Ich habe mir die für mich wichtigsten Teile der Wahlprogramme der Parteien durchgelesen, habe mir Video-Essays zu aktuellen politischen Themen angeschaut und Artikel über die verschiedenen Standpunkte der Parteien gelesen. Dabei habe ich aber auch gemerkt, dass es keine Partei gibt, die zu 100 Prozent meine Meinung vertritt und ich daher die Wichtigkeit verschiedener Themen abwägen musste. Das war aber nicht unbedingt ein Problem, da ich mit mehr Vorbereitungszeit auch zu dieser Erkenntnis gekommen wäre.

Welche Rolle haben soziale Medien bei deiner Informationssuche gespielt?

TikTok ist eine meiner wichtigsten Informationsquellen. Der Algorithmus dort ist so gut, dass er genau weiß, für welche Themen ich mich interessiere und mir ständig neue Inhalte dazu liefert. So habe ich nicht nur mitbekommen, was die verschiedenen Parteien fordern, sondern auch, welche politischen Ereignisse in den letzten Wochen besonders relevant waren. Spannend fand ich, dass in den sozialen Medien oft über Dinge berichtet wird, die in den traditionellen Medien kaum oder gar nicht erwähnt werden.

Plattformen wie TikTok oder Instagram gelten als oberflächlich. Was ist deine Erfahrung?

Nun, komplexe politische Themen lassen sich in der Tat schwer in einem 60-Sekunden-Video vollständig vermitteln. Ich sehe das aber nicht nur negativ. Erstens schaue ich selten nur ein Video zu einem Thema an – oft klicke ich durch mehrere, die zusammen ein umfassenderes Bild ergeben. Zweitens ist es in den klassischen Medien nicht viel anders: Auch in der Tagesschau bekommt ein Thema manchmal nur 30 Sekunden, ohne dass alle Hintergründe erklärt werden. Ich gebe aber zu: Es fehlt ein Faktencheck, viele Nutzer hinterfragen die Inhalte leider nicht. Außerdem präsentiert der Algorithmus viele Inhalte, die zur eigenen Meinung passen. Man bewegt sich leider in einer Filterblase.

Deine Eltern sind in Sachen Wahl ja alte Hasen. Haben sie dir Tipps gegeben oder deine Meinung beeinflusst?

Ich habe viel mit meiner Familie über die Wahl gesprochen, weil es einfach eine besondere Situation war. Da ich mich sehr für Politik interessiere, war es spannend, andere Meinungen kennenzulernen. Natürlich gab es auch hitzige Diskussionen mit meinem Bruder, vor allem wenn die Meinungen stark auseinandergingen. In der Schule und mit Freunden habe ich auch oft über die Wahl gesprochen, aber da waren wir uns meistens ziemlich einig – auch die, die kein TikTok haben, hatten ähnliche Ansichten.

Was erhoffst du dir von der Partei, die du gewählt hast?

Ich erwarte von der Partei, die ich gewählt habe, dass sie die Interessen junger Menschen ernst nimmt. Ältere Wähler haben im Allgemeinen mehr politischen Einfluss, weil sie einen größeren Teil der Wählerschaft ausmachen und deshalb ihre Anliegen oft bevorzugt werden. Junge Menschen hingegen werden oft so dargestellt, als seien ihre Anliegen weniger wichtig – dabei sind wir es, die am längsten mit den politischen Entscheidungen von heute leben müssen.

Was wirst du von deiner ersten Wahl in Erinnerung behalten? War etwas besonders überraschend oder anders als erwartet?

Was mir besonders in Erinnerung bleiben wird, ist, wie sehr Migration und soziale Spaltung diese Wahl geprägt haben. Die Wahl ist ein Test dafür, wie belastbar unsere Demokratie ist, und die nächsten Jahre werden zeigen, in welche Richtung sich das Land entwickeln wird.

Denkst du, dass dein Wahlverhalten in Zukunft anders sein wird – warum (nicht)?

Ich bin keiner Partei treu, sondern meinen eigenen Interessen. Mein Wahlverhalten kann sich ändern, je nachdem, wie sich meine Lebenswirklichkeit entwickelt. Im Moment betrachte ich Politik aus der Perspektive eines Schülers, aber mit einem Beruf, mehr Verantwortung und neuen Herausforderungen könnten sich meine Prioritäten verschieben. Ich werde immer danach entscheiden, welche Partei meine Werte und Interessen am besten vertritt.

Was würdest du anderen Erstwähler:innen raten, die sich durch Social Media informieren?

Soziale Medien können ein guter Einstieg in politische Themen sein, als einzige Informationsquelle bieten sie aber zu wenig. Es ist wichtig, sich verschiedene Perspektiven anzuhören, Fakten zu prüfen und nicht nur in der eigenen Blase zu bleiben. Gerade auf Plattformen wie TikTok wird Politik oft stark emotionalisiert, daher sollte man immer hinterfragen und lieber noch einmal selbst recherchieren, bevor man sich eine endgültige Meinung bildet.

Findest du Wählen schwer?

Der Wahlvorgang ist natürlich nicht schwer. Kreuzchen setzen kann jeder. Die richtige Stelle zu finden, empfand ich als schwer. Beim nächsten wird es hoffentlich leichter. Übung macht den Meister. ((grinst))

DSGVO Cookie-Einwilligung mit Real Cookie Banner