Zwischen Evangelium und närrischem Brauchtum
Helga El-Kothany
Wenn an einem Sonntagmorgen Prinzessinnen durch Stockheim hüpfen, erwachsene Frauen mit grünen Haaren unterwegs sind und die Hästräger ihre Masken abnehmen, kann das nur eines bedeuten: Es ist wieder Narrengottesdienst in St. Ulrich!
Während die Stockheimer Hexen und Güglinger Drills noch vor der Kirche Spalier stehen, übt Pfarrer Oliver Westerhold drinnen mit den bereits Anwesenden „Que sera, sera“ und „Kornblumenblau“ – natürlich mit gottesdiensttauglichen Texten -, damit der Gesang später auch klappt.
Mit „Oh when the Saints“ zieht Mannes Rasselbande samt Gefolge, darunter auch die Kirbachtal-Hexen, in die Kirche ein. Die Masken werden dekorativ um den Altar drapiert.
„Hocket na!“, fordert der Gottesmann die Narren unmissverständlich auf und bekennt sich in seinen ersten wohlgeformten Reimen zur fünften Jahreszeit, zur Fasnet.
Mit Narrenkappe und Hexenorden – die Stockheimer Hexen sind ja gute und treiben höchstens etwas Schabernack – wird der Pfarrer dann trotz närrischer Form durchaus ernst.
„Die Fasnet vor der Fastenzeit ist nicht nur Jubel, Trubel, Heiterkeit.“
In seiner büttenreif gereimten Predigt geht es um die Heilung des Aussätzigen. Früher lebten diese Menschen isoliert am Rande der Gesellschaft. Doch: „Aussatz, den gibt’s auch heut‘ und hier, …Streit, Hass, Neid, böswillig zugefügtes Leid, sich über andere erheben und jedes lasterhafte Leben.“ All das symbolisierten die Fastnachtsbräuche mit ihren Teufeln und Dämonen, die in uns allen wohnten.
Und dann hat der Pfarrer auch noch einen Fastnachts-Tipp des Apostels Paulus parat: „Esst nur, trinkt nur, doch habt den Mut, dies zur Ehre Gottes tut!“
Für so eine geniale Büttenpredigt darf es auch in der Kirche verdient kräftigen Applaus geben. „Eine tolle Predigt! Ich kann jedes Wort unterschreiben“, freut sich ein begeisterter Drill.
Auch die humorvollen Fürbitten der Stockheimer Hexen werden mit Beifall belohnt.
Natürlich wird auch gesungen, geschunkelt, im Takt geklatscht, alle Narrenrufe im Chor gebrüllt, gebetet – und ordentlich gelärmt. „Steht mal auf, macht mal Wellen, die ihr tragt am Hals heut‘ Schellen!“ Die Drills hüpfen, dass ihre Schellen ohrenbetäubend rasseln, und die Hexen übertrumpfen mit ihren Rätschen locker deren Dezibelstärke.
Das Orgelspiel während der Kommunion klingt nach Jahrmarkt und Karussell. Und der Saxofonist nimmt sich die Freiheit, sein Spiel etwas zu verlängern und die Melodie zu verjazzen. „Wenn man kein Solo kriegt, dann nimmt man’s sich“, kommt prompt der augenzwinkernde geistliche Kommentar.
Schließlich die Erinnerung – oder Mahnung – an die Zeit nach den tollen Tagen: „Ohne Aschermittwoch gäb’s keine Fasnet.“
Doch zuerst geht’s nach der Kirche mit Guggemusik durch den Ort zum Fastnachtsempfang und einer fröhlichen Nachfeier im Gemeindehaus. Und alle sind sich einig: Es war wieder einmal so ein schöner Narrengottesdienst!